Band 1 - Die Quarzsucherin by LindeWeber | World Anvil Manuscripts | World Anvil

Mittwoch, 7. Juli 1790

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Durch ein Portal schritt Arminio in das Arbeitszimmer von Erzmagier Ferron. Das Zimmer war kühl, trotz des Hitzesommers, der in Europa herrschte. Die Wände des großen Raumes waren mit weißen Marmorplatten getäfelt und er wurde von mehreren Säulen getragen. 
„Guten Tag, Arminio.“ Ferron stand von seinem Sitzplatz auf, um den Besucher respektvoll zu begrüßen. „Bitte, setz dich.“ Er deutete auf den jahrhundertealten Besucherstuhl vor seinem Schreibtisch.
„Guten Tag, Ferron, hab Dank.“ Der Feuermagier nahm die Aufforderung an und legte seine Hände auf der ärmellosen roten Robe ab.
„Was kannst du mir über Frau Berger berichten?“
„Glandera Berger, 19 Jahre alt. Sie lebt mit ihrer Großmutter Gladis Forster, ihrer Mutter Hilde und ihrem Bruder Arno in der Webergasse. Unter den Bergarbeitern wird sie als Quarzsucherin bezeichnet, da sie die Quarzadern in der Mine gefunden hat.“
Ferron hob überrascht die Augenbrauen.
„Zuvor lebte sie in einer Hütte unterhalb von Chattenberg am Waldrand, an einem Zufluss der Eder. Sie hat niemals eine Schule besucht und arbeitet seit drei Jahren in der Mine, um ihre Familie zu ernähren und Arno eine Ausbildung als Schmied zu ermöglichen.“
„Dafür musste er zur Schule gehen“, Ferron nickte anerkennend und machte sich Notizen. „Das ist in der Landgrafschaft teuer.“
Arminio stimmte ihm zu: „Allerdings, doch sie arbeitet emsig, damit er seinen Traum verwirklichen kann.“
„Wo ist ihr Vater?“
„Georg Berger ist vor vier Jahren gestorben, wie ich dem Kirchenbuch entnommen habe. Ihre Mutter Hilde versorgt die Familie durch Verkäufe auf dem Markt, doch da kommt kaum genug Geld zusammen, da sie sich um die verwirrte Großmutter kümmern muss. Deshalb arbeitet Glandera in der Mine.“
„Ihre Mutter hat nicht wieder geheiratet? Ist Glandera vermählt?“, hakte Ferron nach und fuhr sich mit dem Daumen über das Kinn.
Der Feuermagier schüttelte den Kopf. „Nein. Es gibt auch keinen Anwärter, der sich darum reißt, die ganze Familie ernähren zu müssen. Sie lebt zurückgezogen.“ Arminio blickte zu den Bücherregalen und zurück, bevor er anfing aufzuzählen: „Jeden Tag kämpft sie darum, die Familie sattzubekommen. Der Vorarbeiter ist ein hinterhältiger Schurke. Sie geht uns Magiern aus dem Weg, weil sie Angst hat, dann zu verschwinden. Und sie fürchtet, von dir wegen des Zusammentreffens bestraft zu werden. Ihr Leben ist von Furcht geprägt.“
Der Erzmagus hob abwehrend die Hände. „Sie ist völlig unabsichtlich in mich hineingerannt.“
„Und damit hat sie dich ungefragt berührt und fürchtet die Konsequenzen. Sie ist unbedarft, weder gebildet noch weiß sie mit ihren weiblichen Reizen umzugehen.“ Typisch italienisch breitete Arminio die Arme aus. „Du kennst mich, ich bin neugierig: Willst du sie, weil sie hübsch ist?“
„Nein“, der Erdmagier schüttelte energisch den Kopf, „ich habe eine andere Vermutung. Hast du bemerkt, dass sie Magie wirkt?“
Überrascht hob Arminio die Augenbrauen. „In den zwei Tagen hat sie harte Männerarbeit verrichtet. Niemand mit magischen Fähigkeiten würde diese unwürdigen Arbeiten freiwillig ausüben.“
Der Erdmagier nickte, richtete sich auf und legte seine Oberarme auf den Schreibtisch. Sein Blick fixierte seinen Besucher. „Gut. Dann bitte ich dich, über folgende Informationen vorerst Stillschweigen zu bewahren. Ich halte sie für eine Incantatrix.“ Ferrons Iriden wurden grau und er teilte Arminio seine Erinnerungen. Detailliert durchlebte er den Zusammenstoß mit Glandera noch einmal.
„Unglaublich!“ Arminio kombinierte in Windeseile, während seine Augen hin und her blickten. „Diese Energie der Blitze. Du meinst, sie ist eine ungelernte Erdmagierin? Was das bedeuten würde!“ Arminio beugte sich vor und stützte die Ellenbogen auf seinen Beinen ab. „Warum haben wir sie nicht früher bemerkt? Wurde sie mit dem falschen Ergebnis getestet?“
„Ich wäre dankbar, wenn du das für mich herausfinden könntest.“ Der Stuhl kratzte über den Boden und Ferron stand auf. „Ich muss mich umziehen, ein Staudamm droht in Ägypten zu brechen.“
Arminio erhob sich ebenfalls und mit einer routinierten Bewegung öffnete er ein blauviolettes Portal in die Bibliothek der Magierakademie. „Ich melde mich später.“

Unter der Akademie waren lange Gewölbe in den Stein getrieben worden. Darin war die Bibliothek untergebracht. Reihenweise standen hohe Regale voller wertvoller Bücher und Schriftrollen. Es war das Reich der Luftmagier und sie sorgten für eine gute Belüftung.

Der Capitano hatte sich lediglich die gesuchten Bücher zeigen lassen und anschließend auf die Unterstützung der Bibliothekare verzichtet. Zum zweiten Mal an diesem Tag arbeitete er sich durch Aufzeichnungen. An diesem Vormittag brannten in der Kirche Kerzen und er fühlte sich mit seinem Element verbunden, doch hier war Feuer verboten. Stattdessen roch es nach grasigen Noten, vermischt mit einem Hauch Vanille und Polierwachs. Er war froh, als er dem Erdmagier die Ergebnisse seiner Recherche mitteilen konnte.
Ferron?“ Arminio störte ihn nur ungern.
„Einen Moment bitte.“
Minuten vergingen, während Arminio weiterhin kopfschüttelnd die Aufzeichnungen durchblätterte. Die Reiter der Magierakademie arbeiteten sorgsam, sodass Fehler ausgeschlossen waren.
Ferron meldete sich erneut. „Jetzt kannst du sprechen.“
„Glandera und Arno Berger wurden nicht getestet. Auch über ihre Mutter und Großmutter finde ich keine Informationen. Ich habe sämtliche Aufzeichnungen über Chattenberg und Umgebung mehrfach selbst durchgesehen. Sie sind unseren Reitern entgangen.“
„Wie ist das möglich?“ Ferrons Erstaunen war selbst über Telepathie zu vernehmen.
„Es ist mir ein Rätsel. Soll ich sie für dich testen lassen?“
„Nur den Jungen, doch möglichst unauffällig, da ich keine weiteren Ängste schüren möchte. Um die Dame kümmere ich mich selbst. Gute Arbeit, Arminio.“

„Die Quarzsucherin“ ist bei BoD unter der ISBN 9783757807108 erschienen und im Buchhandel als Taschenbuch und E-Book erhältlich.

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