Die Actual-Play Geschichten der Caligari Crew 2.0 by Durinson | World Anvil Manuscripts | World Anvil

Kapitel 3: Enemy Action

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Auf zu neuen Ufern

Die Dreckskarre ist bis auf wenige Kleinigkeiten gepackt, die Döner gegessen, und die neugeformte Caligari-Crew bereitete sich drauf vor, ihre Heimatstadt zu verlassen. 

Mario, der Technomancer des Teams hob die Augenbrauen. 

„Wo geht es denn hin?“

„Tja, da sind Chaosfee und ich uns noch nicht ganz einig. Rhein-Ruhr-Plex, Hamburg, Frankfurt oder vielleicht München. Wir würfeln das auf der Fahrt aus, oder machen erstmal eine ADL Rundfahrt um zu schauen wo wir uns niederlassen wollen.“ 

Chaosfee kam mit der letzten Waffentasche aus dem Haus.

„Unser erstes Ziel ist Nürnberg!“

„Wieso Nürnberg?“ Kam es im Chor zurück.

„Crane, Poole und Schmitt haben sich gemeldet und uns an einen Kontakt nach München vermittelt.“ 

Madness schaute auf ihr Kommlink, um die Nachricht abzurufen. Sie hatte diese vorhin ignoriert, da sie am Packen war. 

Hallo, hier ist Erika Schmitt. Ich habe ihre Kontaktdaten an Klaus Held weitergeleitet, der bei uns nach Personen mit gewissen Fähigkeiten fragte. 

Er besitzt eine Personal-Security Agentur in München. Er würde sich gerne mit ihnen im Matrixkaffeehaus - „Zur Weißwurst“ treffen. Der Kunde für den er anfragt, ist selbst in der Nürnberger Gegend ansässig. Wenn sie den Auftrag annehmen wollen, dann würde es reichen, nach Nürnberg zu fahren. 

 

 

Einmal Mittelalter bitte

Man könnte meinen, dass ein Van in der ADL aussieht wie ein Van. Dass eine Dreckskarre in Berlin gleich einer Dreckskarre im Rhein-Ruhr-Plex oder Hamburg ist. 

Die Realität sieht so aus, dass man auf Rastplätzen nur vom Ansehen der Autos weiß, aus welcher Gegend diese kommen.

Das Spiel: Erkenne den Herkunftsort ohne die Kennung zu scannen war schnell langweilig geworden.

Raten, ob die Fahrer der anderen Autos Noobs sind und die zu sendenden Daten nicht auf das Aussehen angepasst haben, sondern eine Hamburger Dreckskarre aus Berlin haben kommen lassen und somit Polizeikontrollen provozierten, war da schon lustiger.

Warum das so ist - also die Autos so erkennbar, und nicht warum Metamenschen so dumm und schwachsinnig - darüber ist man geteilter Meinung, in der Allgemeinheit und auch im Van.

„Autos nehmen mit der Zeit die Emotionen der Umgebung auf und entwickeln so das Flair. Das ist wie mit Artefakten und freien Geistern.“

„Das ist das Wetter! Der salzhaltige Sprühnebel und die Toxizität in Hamburg lässt das Auto anders aussehen als in Berlin. In München sehen alte Autos aus wie Neuwagen in Berlin.“

„Neu-Essen hat aber kein salzhaltigen Sprühregen - und trotzdem erkenne ich den Unterschied“ unterstütze Madness Chaosfee in ihrer Argumentation.

Kawumms mischte sich jetzt ein: „Das sind ja auch Kunstbanausen - die bekommen doch kein ordentliches ‚A’ für Anarchie hin.“

„Das ‚A’ ist eine starke Emotion. Das hat nichts mit künstlerisch zu tun.“

Im Endeffekt war jedem klar, dass es egal ist. Es ist ein Fakt - und wahrscheinlich spielte alles eine Rolle. Man hatte einfach Spaß an der Diskussion. 

Der Vorteil, wenn man tagsüber durch die ADL fährt und eine gut gefälschte Kennung hat, ist, bei Autobahnen, das ALI System. Einklinken und Autopilot an. Die A8 runter, an Dessau vorbei, Leipzig links liegen lassen und dann 5 Stunden später die kleine Arkologie von dem ehemaligen AAA Konzern NeoNET im Westen von Nürnberg zu sehen, um folgend in den alten Stadtkern abzubiegen. 

Mario schaute mit bösem Gesicht zu der Arkologie: „Scheißverein - geschieht euch recht!“

„Gehört das jetzt eigentlich Spinrad Global?“, fragte Madness, ohne auf den Kommentar einzugehen. 

„Ein Bundeswehr-Chummer aus Nürnberg erzählte damals, NeoNet City will keiner.“

„Mir egal - der Villiers gehört noch in siedendes Fett eingetaucht“ kam von Mario, und er vergaß sogar, die Minzpastille in den Mund zu nehmen. Es breitete sich eine drückende Stille im Van aus. Was sollte man darauf auch sagen. 

 

Als die Dreckskarre die, selbst ohne AR, gut erhaltene Stadtmauern in Nürnberg passierte und die alten Gebäude links und rechts auftauchten, erhellte sich das düstere Gesicht von Mario und er konnte es sich nicht verkneifen:

„Hey Kawumms! Hier müsstest Du Go-Ganger jagen. Bei der Kulisse wirst Du garantiert für ‚Karl Kombatmage Fantasy‘ entdeckt.“

Sein Gegenüber grinste:

„Das gilt wohl eher für dich. Da will ich Dir keine Konkurrenz machen“. Mario schaute irritiert bei der Antwort.

„Ich habe gerade im Stadtführer gelesen, was eine Spezialität einer Kneipe hier ist. Vor fast 80 Jahren hat hier ein Gruppe Hessen den legendären Startpunkt für eine Kneipentour festgelegt. Das ist inzwischen ein kleines Festival die Hessentour. Die tragen eine riesige Ananas mit Wunderkerzen durch die Straßen und dann ist Rambazamba. Und die Ananas sieht Dir echt ähnlich.“

Er schickte ein Bild von einer ca. 1m großen gelben Papp-Ananas mit schwarzen Blättern und Wunderkerzen auf dem ‚Kopf‘. 

Mario änderte sein Gesicht von irritiert auf verdutzt, und schob sich eine Minzpastille in den Mund.

„Touche!“  

Beide lachten lauthals los.

Madness und Chaosfee schauten sich gegenseitig an. Ein fragendes Augenbraue heben auf der einen, ein Schulterzucken auf der anderen Seite. 

Fünf Stunden im Auto scheint eine gute Teambildungsmaßnahme zu sein. Und Absicht oder nicht, Mario hat da ein Talent für. Trotz des verständlich düsteren Augenblicks vor wenigen Minuten. 

Er gab den Ton der Fahrt schon am Anfang vor, als er für die ersten großen Lacher bei den Frauen bzw. dann im Team sorgte. Er fragte vorsichtig, ob sie beide ein Paar wären, da er mit Beziehungen in Runnerteams keine guten Erfahrungen gemacht hat. Er war dann beruhigt, als ihm, nachdem sie wieder Luft nach dem Lachanfall bekamen, versicherten, dass inzwischen eine Freundschaft besteht - aber mehr nicht. 

Dass die Frage aus einer anderen Richtung für ihn schmerzhaft wurde, konnte er nicht ahnen. Kawumms klopfte ihm lachend mit ungebremstem Schwung auf die Schulter: „ich dachte da echt für ein Moment, Du willst Möglichkeiten abchecken.“ 

Die Rolle vorwärts, erinnerte an ein Videospiel-Move und sorgte für einen erneuten Lachanfall. 

„Wenn Du schon den Stadtführer aufhast, wo wollen wir den für das Treffen in der Matrix hin? 

Kawumms blickte kurz auf sein Kommlink. 

„Hier gleich ums Eck soll es ein gemütliches Lokal für hybride Meetings geben. Zum Uhrmacher und echt Nürnberger Würste werden da angeboten“ 

Wobei der letzte Satz von einem Magenknurren - fast schon Trollmagengrollen unterstrichen wurde. Chaosfee grinste. 

„Madness scheint Hunger zu haben!“

Die wiederhergestellte gute Laune nahm das Team mit in das Lokal und sie stöpselten sich in die Matrix ein, wobei Mario mit jahrelanger Übung seine Fake-AR/VR Brille aufsetzte. Die Jagd auf Technomancer im letzten Jahrzehnt lässt ihn vorsichtig bleiben, weil die Welt immer noch in den Vorurteilen gegen Leute mit seinen Fähigkeiten festhängt. 

Fuck NeoNet!

 

 

Das Treffen

Die Personas der neugeformten Caligari-Crew materialisierten in einem Büro mit großen Ledersesseln, dunkler Wandvertäfelung und schweren Vorhängen, leicht gedämpftes Licht. Ihr vielleicht zukünftiger Auftraggeber sass in einem Sessel.

Er war groß gewachsen, breitschultrig, hatte kurze blonde Haare und war sicher ein Ex-Militär von der ganzen Körperhaltung. In der Annahme, dass seine Persona der Realität entsprach. Er trägt einen eleganten schwarzen Anzug. Mit einem Kopfnicken und einem knappen Lächeln weist er auf einen Sessel vor sich.

„Schön, dass Sie es einrichten konnten, zu diesem Treffen zu kommen. Um Ihre Zeit nicht über Gebühr zu strapazieren, komme ich gleich zur Sache: Mein Name ist Klaus Held. Ich betreibe eine kleine Sicherheitsfirma, spezialisiert auf Personenschutz. Zurzeit erstelle ich ein Sicherheitskonzept für eine neue Klientin in der Nähe von Nürnberg. Bis ich dieses Konzept umsetzen kann, suche ich ein Team von Spezialisten, das in der Übergangszeit den Schutz meiner Klientin übernimmt. Der Auftrag beginnt, wenn Sie zusagen, noch heute.“

Madness, die die Rolle des Face im Team innehat, hob kurz ihre Augenbrauen. Aufgrund der Annahme und der Begrüßung entschloss sie sich, den Stil zu kopieren.

„Dann will ich auch nicht um den heißen Brei rumreden. Welche Details haben sie noch vor der Auftragsannahme für uns, Was sind unsere Aufgaben, Zeitraum und Bezahlung?“

Angenehm überrascht über die Direktheit schaute Klaus Held die charismatische Elfin an.

„Der Auftrag ist legal. Personenschützende Maßnahmen sind durch die Gesetzgebung gedeckt, solange die Waffen lizenziert sind und die Gegenwehr verhältnismäßig. Die Bedrohungslage ist aktuell unklar, allerdings werden Bedrohungen bekanntlich ja sehr individuell wahrgenommen. Die zu schützende Person ist sehr wohlhabend und wird für die gesamte Zeit an ihrem Wohnort sein. Der Zeitraum des Auftrags wird zwischen 7 und 14 Tagen erwartet. Der Tagessatz liegt bei 700 EUR“.

Madness nickte und schaute nachdenklich.

„Wieso brauchen sie Leute mit gewissen Fähigkeiten. Der Auftrag klingt ziemlich „straight forward?"

Klaus Held verzog sein Gesicht, als ob er plötzlich leichtes Zahnweh hätte. Da hat Madness den Finger auf die richtige Stelle gelegt.

„Die Kundin  hat ebenfalls nach Hilfe für einen Zusatzauftrag angefragt. Den sie dann persönlich mit Ihnen verhandeln würde.“

„Und?“, erfolgte von Madness in einem Tonfall und einer Körperhaltung, der ihr Gegenüber nicht aus seiner Ecke  entkommen ließ.

Chaosfee lehnte sich bei dieser Frage in ihrem Sessel zurück. Sie liebte diese Showeinlagen, wenn ihre Freundin das Establishment mit ihren eigenen Waffen ‚verprügelte‘. 

„Naja…“

„Naja?“

„Ich…“

„Ich?“

Chaosfee ging die Kombination in ihrem Kopf durch: links, links… 

„Wissen Sie…“

„Was soll ich wissen?“ 

Links, links, rechts und jetzt kommt gleich der Uppercut.

„Drucksen sie mal nicht so rum - wir sind doch alle Profis.“

Und KO. Chaosfee grinste.

„Ich habe gerade wenig Personal zur Verfügung. Ich schätze die Bedrohungslage nicht gerade sehr hoch ein und für den Zusatzauftrag will ich nicht unbedingt meine Leute von wichtigeren Aufträgen in München abhalten. Die Person wäre aber schon schön in meiner Kartei..“

Madness lehnte sich zurück. „1000 EUR/Tag und Person. Mindestens 7 Tage werden bezahlt und sie haben ihr benötigtes Team“

Klaus Held schaute etwas konsterniert. „OK - Deal. Wenn sie auf Probleme mit dem Personenschutz treffen sollten, dann melden sie sich. Der Zusatzauftrag ist alleine ihre Sache."

„Deal.“ Madness grinste in sich hinein. Das war ja schon fast zu einfach. Definitiv Ex-Militär. Die können nicht subtil in der Kommunikation.

„Ich schicke Ihnen die Daten auf ihr Kommlink. Vielen Dank!“ Damit erhob sich Klaus Held und loggte sich aus der Matrix aus.

 

Die vier Runner folgten diesem Beispiel. 

„Dita von Hohenstein. Wohnt hier auf einer Burg Hohenstein ganz in der Nähe. Jeder scheint einen Teil von einem Code bekommen zu haben…“

„…und so wie das aussieht ist es in Summe ein Zugangscode“ beendete Mario den Satz von Kawumms. 

„Suchen wir uns mal ein Motel in Autobahnnähe, und dann lasst uns mal die Burgdame besuchen.“ 

Madness schaute Chaosfee nachdenklich an. „Vielleicht sollten wir uns auch ein Mietwagen holen?“

„WAS! Jetzt gleich?", entfuhr es Kawumms entsetzt. "Die Naniten Nürnberg spielen gleich gegen die Seader-Krupp Centurios. Sie spielen zwar in Essen, aber hier gegenüber gibt es eine Stadtkrieg-Sportkneipe….“. Er schaute die beiden Frauen flehentlich an. „Es dauert auch nur 6 Stunden?“

Chaosfee stand auf und meinte nur trocken: „Kein Problem - wenn Du kein Geld brauchst.“

Kawumms senkten seinen Kopf ergeben. „Ok - Ihr habt gewonnen.“ Madness ging mit einem Unterton Wahnsinn lachend an ihm vorbei. Er schaute Mario zweifelnd fragend an. „Hey, schau mich nicht an - die beiden haben einen Ruf zu verlieren“.

 

 

Burg Hohenstein

Die Caligari-Crew trat aus dem Aufzug, der sie vom Dorf, das sich vor die Festung schmiegte, in den Wohnsitz ihrer Auftraggeberin brachte, der auf einer Anhöhe stand.

Sie gingen aus der Kabine auf den breiten Wehrgang, der mit Panomara-Fenster vom Innenhof abgetrennt wurde. Viel erkannten die Runner erstmal nicht. Die tiefstehende Sommersonne schien ihnen direkt ins Gesicht und die Scheiben nahmen keine automatische Verdunklung vor. 

„Ich liebe den Sonnenschein, daher lass ich ihn aus jeder Richtung in meine Burg hinein“ hörten sie eine Stimme, die sich von rechts der Gruppe näherte.

Kurz darauf erkannten sie eine junge Frau in Yoga Outfit.

„Schön, dass sie so schnell kommen konnten. Mein Name ist Dita von Hohenstein. Willkommen auf meiner Burg.“ 

Chaosfee und Madness wechselten einen Blick. Seltsame Frau. Aussehen perfekt, Anfang 20 und 'ihre' Burg? 

Laut meinte Madness. „Kein Problem, wir helfen wo wir können. Mich können sie Madness nennen. Die Dame neben mir ist Chaosfee, der Herr in Gelb ist Mario und der Grimmige daneben ist Kawumms.“

Kawumms nahm die Hand zu einem angedeuteten militärischen Gruß an den Kopf. Mario hob seine Hand ebenfalls, wobei er sich dabei eine Minzpastille in den Mund schob. 

„Hach, was für eine illustre Gesellschaft. Folgen sie mir einfach in die Küche. Dort können wir alles weitere besprechen.“

„Illustre Gesellschaft? Wo kommt die den her?“, murmelte Chaosfee und entblößte einen ihrer Hauer, indem sie ihren Mundwinkel nach oben zog. 

 

Die Küche befand sich am nördlichen Ende in einem Seitenflügel der Burg. Auch hier wurde der Raum durch die Abendsonne durchflutet. Die riesigen Fenster nach Westen boten einen imposanten Ausblick über das fränkische Land. 

Die Crew setzte sich um den großen Esstisch, wobei Madness und Kawumms in die Sonne schauten, die Chaosfee und Mario im Rücken hatten.

Die Hausherrin bereitete die Getränke selbst her. 

„Herr König hatte nicht viel erzählt, warum sie Personenschutz benötigen. Könnten sie uns mehr sagen?“

Während sie die Getränke herumreichte antwortete die Angesprochene. 

„Es passieren aktuell zu viele Dinge. Sie kenne ja den Spruch von Ian Fleming. Once is happenstance, twice is conicidence and three times is enemy action. Ich möchte mich für eine mögliche feindlichen Aktion absichern.“

Nach einer kurzen Pause fährt sie fort: „Ich möchte auch herausbekommen, wer dieser ‚Feind‘ eigentlich ist, und warum er/sie/es auf mich abgesehen hat.“

„Können sie das genauer erläutern?“

„Bleiben wir bei Ian Fleming und fangen mit dem „es passiert mal – dem happenstance an.
Mir ist aufgefallen, dass mein BuMonNA Armband falsche Körperwerte speichert und an die Zentrale schickt. Laut dem Armband hatte ich ein Puls von 53 bei meinem letzten Spinning Tabata Workout. Und ich bin weder so faul, noch so trainiert, dass dies in irgendeiner Weise Sinn macht. Auf meine Beschwerde hin, hat der Kundendienst das Armband überprüft und mir mitgeteilt alles ist in Ordnung. Als ich hier insistierte wurde abgewiegelt um nur eine Sekunde später mich zu fragen ob ich mit dem Scheiß-Kundendienst zufrieden bin. 

Mein nächster Schritt war natürlich, dass ich meinen Vertrag aufgelöst habe und bei EuroMedis von Zeta-ImpChem und CrashCart von EVO mir Angebote einholte. Das EuroMedis Equipment erwarte ich die nächsten Tage.“

Die Hausherrin stoppte ihre Erzählung und schien plötzlich in Gedanken versunken zu sein, wie man es oft bei älteren Menschen kennt.

„Ähm, Frau von Hohenstein?“

Aufgeschreckt blickte die Burgbesitzerin Madness an. 

„Entschuldigen sie. Ich bin etwas abgeschweift.
Kommen wir also zum ‚Zufall – dem coincidence‘. Einer meiner Leibwächter, oder besser Burgwachen wie ich sie lieber nenne, wurde vor wenigen Tagen tot aufgefunden.“ 

„Wenn ich hier kurz einhaken dürfte?“

Madness wurde fragend und auffordernd angeschaut.

„Wieviel Personen halten sich üblicherweise hier in der Burg auf?“

„Ich habe, bzw. ich hatte 2 Burgwachen. Jeremie Vogt und Elena Wittgenstein. Weiterhin habe ich noch 3 Hausangestellte. Diese sind ab ca. 20 Uhr nicht mehr anwesend. Normalerweise ist immer mindesten eine Burgwache in meiner Nähe. Durch den Tod von Jeremie war Elena die letzten Tage bei mir. Mit ihrer Anwesenheit konnte ich ihr vorhin frei geben.“

Sie schaute auf ihre Uhr.

„Sie wird wohl vor wenigen Minuten die Burg verlassen haben.“

„Und was ist mit Herrn Vogt genau passiert, dass sie es in Verbindung zu ihnen sehen?“

„Jeremie wurde im Dorf tot neben einer jungen Orkin namens Kerstin Hesse gefunden. Beide Körper wiesen Schussverletzungen auf. Die Tatwaffe war auf ihn lizenziert. Die Polizei geht von einer Beziehungstat aus.“

„Was spricht aus ihrer Sicht dagegen?“

„Er hat mir gegenüber die letzten 5 Jahre nie eine Freundin erwähnt. Warum sollte er mir sowas verschweigen?“

Während Madness das Gespräch führte, schauten Chaosfee und Mario sich etwas um. Mit einem Kennerblick stellte die Orkin fest, dass die gesamte ‚Komposition‘ der Einrichtung einheitlich zu der Mode von 2070 entsprach. Die Änderungen in den letzten 10 Jahren waren eher marginal. 

Es schien auch, dass die Auftraggeberin etwas paranoid war. Wer brauchte schon Feuerlöscher zusätzlich zu Sprinkleranlagen in einem Privathaushalt. 

Sie schrieb ihre Beobachtungen in den Team-Chat. Mario antwortete dort, dass dies ebenfalls für die Hoststruktur gilt.

Die Adaptierungen von einem State-of-the-art Host 2070 an die de-la-Mar Änderungen 2075 waren akzeptabel. Aber für 2080 fehlten viele Kleinigkeiten. Vielleicht ist dies einer KFS-Quarantäne geschuldet – er schaue sich das mal genauer an.

Wenige Sekunden, nachdem Mario diese Sätze geschrieben hat, richtete er sich auf und unterbrach das Gespräch von Madness mit ihrer Auftraggeberin.

„Frau von Hohenstein! Haben sie Drohnen als Sicherheitseinrichtung implementiert?“

 

 

Die erste Welle

„Nicht das ich das wüsste, Herr Mario.“

„Dann haben wir ein Problem auf uns zufliegen“ meinte er mehr zu seinem Team gerichtet und warf sich eine Minzpastille in den Mund. 

„Drei Drohnen fliegen schnell auf das Fenster zu“  und er deutete mit dem Daumen über seine Schulter. 

Als ob dies ein geheimes Zeichen gewesen sei, kam Bewegung in die Runner. 

Madness sprang auf, um ihre Schutzbefohlene hinter den schweren Eichentisch zu holen, den Kawumms gerade umwarf, um eine Deckung zum Fenster zu bauen. 

Praktisch in einer Gegenbewegung fegte Chaosfee in einem eleganten Schwung über den Tisch auf die Seite zu Madness und dem Ork.

Mario schüttelte den Kopf. 

„Aber sicher nicht. Wer bin ich denn, dass ich hüpfe. Am Ende lande ich noch auf einem und die Person ist dann bewusstlos. Habe ich etwa roten Hosen an?“

„Jetzt schwing dich in Deckung, oder soll ich dich werfen“ Kawumms richtete sich wieder auf, um sich den Zwerg zu schnappen. 

Mit drei schnellen Schritten brachte er sich um den Tisch und aus der Reichweite von dem großen Ork, bevor er sich irgendwelche Sprüche über Zwergenwerfen anhören durfte. 

Seinen Körper auf den Boden setzen und seinen Geist in die Matrix zu entlassen war für ihn eine Aktion. 

In der Matrix sah er die drei Drohnen.

„Hmmm – sollte ich es doch mit einem Hüpfer versuchen? Dann ziehe ich mich mal um. Seine Persona wechselte in einen roten Klempneranzug und mit einem Doppelsprung hüpfte er auf die mittlere Drohne. Die Hülle zeigte keinen Widerstand und er fiel von deren Decke in einen Pilotensitz mit 2 Joysticks in den Armlehnen.

„Wie funktioniert das denn hier? Ok, hiermit drehe ich die Drohne, hoch-runter. Hier Rechts ist das vor und zurück, links-rechts. Und dieses hübsche kleine Ding – oh, ich habe da eine Vermutung“.

Mit den Worten „it-se me - Mario“ und dem Drücken des Knopfes nahm er die Drohne rechts vom ihm unter Feuer. 

„Was für ein Anfänger. Läßt er die Dronen ungeschützt nur mit Autosoft laufen – da sage ich doch einfach Danke.“

In der realen Welt hat Chaosfee sich inzwischen in ihre „astrale VR“ verzogen, um sich hier ein Überblick über die Situation und magische Gefahren zu machen. 

Madness und Kawumms bewegten sich mit der Burgherrin weiter aus der Küche heraus. Die Elfe hatte ein paar Meter weiter einen Toilettenraum gesehen, der ideal war, um Dita von Hohenstein aus der Schusslinie zu bringen.

Sie wunderte sich dabei kurz über die Professionalität der Kundin. Als ob sie das jahrelang geübt hat. Dieser Gedanke huschte aber nur durch ihren Kopf und sie schob die Frau in den Raum.

Keine Sekunde zu früh. Knapp 10m in Richtung des Burghofes zersprang das Panzerglas von den dortigen Panoramafenstern. Drei Personen schwangen sich durch die entstandene Öffnung. 

„Wollten die Drecksäcke uns von hinten angreifen? – Schade, dass ich meine Waffe nicht mithabe. das wäre ne Schlagzeile. – umgekehrte Fantasywelt: Ork warf Angreifer mit einem Claymore von den Burgzinnen.“
Anscheinend hat er diese Gedanken laut von sich gegeben, den er hörte Madness hinter sich auflachen. Er drehte den Kopf zu ihr: „Fertig?“ 

„Fertig“ – und beide spien den Neuankömmlingen ihre Pistolenkugeln entgegen. 

Parallel war Mario in der Matrix weiterhin voll in seinem Element.

Was haben wir den da? Er sah einen großen Knopf vor sich blinken, der einen grünen Schildkrötenpanzer aufgeklebt hatte. Er hatte wohl unbewusst angefangen, die Drone umzugestalten. Jetzt nur kein „jippih“ wenn ich den Panzer äh die Rakete abfeuere.    

Autsch - wer schießt denn da auf mich? Ah ja. Der Rigger ist aufgewacht und in die andere Drohne gesprungen. Mist, der Panzer äh die Rakete fliegt vorbei.


Jetzt tut es aber langsam weh. In den Rücken schießen ist unfair. Ich glaube, ich verdrücke mich mal, bevor die Drohne hier komplett hinüber ist. Aber hier schnell auf Automatik schalten und dann - Tschüss.

Sein realer Körper öffnete die Augen. Fast gleichzeitig mit Chaosfee neben ihm.
Eine Explosion hinter ihm zeigte, dass seine Drohne das Zeitliche gesegnet hat. 

Ein einzelner Schuss wieder ein Krach. Die zweite Drohne.
„Muss ich alles hier machen“ hörte er Madness leicht amüsiert über das Kommlink. 

Der Zwerg schaute vorsichtig hinter dem Tisch hervor. Er sah, wie Kawumms und Madness sich einen Fist-Bump gaben. Anscheinend waren sie mit ihrer Arbeit erfolgreich. Aber warum hat Kawumms einen Feuerlöscher in der Hand?
„Hey Kawumms, warum hast Du einen Feuer..“ 

Beide Kollegen rissen ihre Pistolen in die Luft und ließen Blei auf etwas hinter ihm hageln.
Über ihm hörte er das montierte Sturmgewehr der Drohne knattern. 

„Ok, vielleicht später.“ Er drehte den Kopf zur Orkin neben ihm. 

 

Chaosfee hörte die zweite Explosion und sah den Fist-Bump zwischen Kawumms und Madness. Mario neben ihr drehte sich gerade zu ihr um.

Der Raum war von einem absurden Lärm erfüllt. Die Drohnenpropeller die bei den ganzen Richtungswechsel wimmerten. Das Sturmgewehr und die Pistolenantworten von ihrem Team. 

„Es kommt noch ein Geist!“, versuchte sie den Lärm zu übertönen. Selbst mit Kommlinks ein schweres unterfangen.

Mario neben ihr hielt den Kopf unten und die beiden anderen waren ständig in Bewegung, gaben sich Feuerschutz und brachten sich in Deckung. 

Sie hob den Kopf, um die Manifestation des Astralwesens nicht zu verpassen. Wenn ich dir schon nicht im Astralkampf gewachsen war, dann gelingt es mir hoffentlich dich von dieser Ebene zu verbannen, sagte sie in ihrem Geist zu dem Gegner aus einer anderen Metaebene.

In diesem Moment tauchte vor Kawumms eine menschenähnliche Form auf. Pechschwarz. Es schien das Licht aufzusaugen. 

Glühende Augen, Feuer loderte aus den Armen und Beinen.

„Und Tschüss, du Schweinebacke“ – sie beendete ihre Verbannung. 

Der Feuergeist drehte den Kopf in ihre Richtung. Der Feuerschein, der sein Mund abbildete, verzog sich zu einem diabolischen Grinsen. 

„Fuck – hat nicht ganz gerreicht – Dann nochmal.“

In diesem Augenblick gab es eine kleine Explosion über ihr. Die dritte Drohne war ausgeschaltet.

Als sie ihren Blick, der nur ein Bruchteil einer Sekunde in Richtung der Ablenkung ging, wieder zurück auf den Feuergeist richtete, sah sie nur noch, wie sich ein Feuertornado um Kawumms drehte. 

Wenn die Geräuschkulisse vorher schon unangenehm war – sie hätte sie sofort wieder gewollt. Was sie jetzt hörte, wird sie sicher in ihre Träume verfolgen. 

Die Feuersäule zischte. Die Schreie von Kawumms erschütterten Mark und Bein. Plötzlich ein Fauchen. 

Schaum. 

Sehr viel Schaum. 

Die Flammen waren verschwunden. Man hörte nur das leichte Säuseln des leeren Feuerlöschers. 

Kawumms war verstummt. Er lag vollkommen verbrannt im Schaum. Seine Hand immer noch um den Auslöser des Löschers geklammert. Ein unglaublicher Gestank von verkohltem Fleisch breitete sich aus. 

 


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